Alle zwei Jahre macht bei den KCMler ein mysteriöses «Fieber» die Runde. An diesem, von Spezialisten als Fernweh bezeichnetes Leiden, erkrankten diesen Februar wiederum fünf Mitglieder des Kanu Club Murgenthal. Diese haben sich zum Ziel gesetzt, mit einer Chile-Reise, den zum Paddeln nicht geeigneten Winter, zu unterbrechen.

Wildwasser-Paddeln im Februar? Toll, aber wieso gerade Chile? Das Land schlängelt sich vom 17. Breitengrad auf einer Breite von durchschnittlich 200 km an der südamerikanischen Pazifikküste entlang 4200 km bis zum 56. Breitengrad. Zwischen der Atacamawüste, für Paddler eher mittelmässig interessant, im Norden, über den Ballungsraum Santiago de Chile mit Mittelmeer ähnlichem Klima, bis hin zum niederschlagsreichen Süden sind fast alle denkbaren Vegetationszonen zu bestaunen. Neben Wüsten und subtropischen Regenwäldern, dunkelblauen Seen und weissen Gletschern, Grossstädten und endlos wirkenden Plantagen, Vulkane mit tiefen Kratern und hohen Wasserfällen, imposanten Araukarie- und anderen Wäldern findet man in Chile eben auch einige der besten Kajakspots dieses Planeten.
Unsere Reise beginnt am Flughafen Zürich, wo wir unser unkenntlich gemachtes Sportequipment ohne Probleme in die richtige Air Canada-Maschine verladen konnten. Von dort aus katapultierten wir uns mehr oder weniger indirekt nach Santiago de Chile. Zum Glück blieb uns in der Departure-Halle von Toronto noch eine kurze Verschnaufpause von sportlichen sieben Stunden. Die Anreise kurz zusammengefasst: Der Weg war dieses Mal nicht das Ziel.
Doch in Santiago liessen wir uns keine Zeit, unsere Reisestrapazen auszukurieren. Heiss darauf, die ersten Wasserfälle runter zu stürzen, versuchten wir uns, nach dem beziehen der gemieteten Pick-ups, bereits aus der Grossstadt heraus zu kämpfen.
Schon einen Tag später rückten wir auf einer staubigen gravel road die letzten Kilometer zu unserer ersten Reisedestination vor. Wir befinden uns am Tor zum Siete Tazas Nationalpark. Doch diese letzten Kilometer haben es in sich. Die Chilenischen Sommerferien verursachten einen riesigen Andrang zum Nationalpark. Dieser in Kombination mit der trockenen Strasse führte zu einer begrenzten Sicht. Der Wald am Strassenrand hat sich aufgrund des Staubes sogar in eine Mondlandschaft verwandelt. Trotz der Blechkolonne und des Sandsturmes gelang es Louis, einem Entlebucher Kajaker, uns aufzuspüren. Nachdem es uns dann doch gelungen war einen Parkplatz für unsere Mietwagen zu finden, besichtigten wir alle zusammen die weltberühmten «Sieben Tassen». Bei diesen handelt es sich um eine tiefe Schlucht mit sieben Wasserfällen mit einer Höhe von bis zu sieben Metern, welche alle in riesige Pools, die die Form einer Teetasse haben, stürzen. Vor dem chilenischen Publikum wollte sich dann jedoch keiner belustigen lassen und wir verschoben unser Projekt auf den nächsten Morgen. Früh aufgestanden kämpften wir uns am nächsten Tag zum Einstieg in die Schlucht herunter. Direkt nach dem Einstieg wartete der erste Horizont auf uns. Dieser erste Fall benötigte viel Überwindung. Doch in den folgenden Fällen konnten wir unser Selbstvertrauen und Können stärken. Beim letzten Fall sorgte der etwas tiefe Pegel bei einigen für eine etwas harte Landung. Es war festzustellen, dass Mimik und Gestik nicht immer zu 100 % übereinstimmten. Beflügelt von den ersten Erfolgserlebnissen wagten sich einige am nächsten Tag an eine Befahrung der 22 Wasserfälle flussaufwärts. Auch diese Fahrt musste mit einer langwierigen Suche des Einstieges und einer einstündigen Wanderung mit Kajakausrüstung hart erkämpft werden. Doch die harte Arbeit wurde mit Fällen von knapp zehn Metern belohnt.
Wir einigten uns, den Rio Laja als nächstes Ziel unserer Reise festzulegen. Laut Flussführer handelt es sich um einen Bach der Schwierigkeitsstufe 4, der aus einem durch einen Vulkan geschaffenen See entspringt. Während weiten Stücken der Anfahrt, welche parallel zum Rio Laja verlief, gingen wir davon aus, dass wir Pech haben und der Fluss ausgetrocknet sei. Doch ca. 2.5 Kilometer unterhalb des Put-In trafen wir eine Wasserfassung an, wo ein mächtig tosender Bergbach in Kraftwerksleitungen abgesaugt wurde. Der Paddelabschnitt befand sich oberhalb dieser Station. Von der Strasse aus bestaunten wir die schaumig, weisse Paddelstrecke, welche auf rund zwei Kilometern, wie ein Rollercoaster, 180 Höhenmeter das Tal hinunter raste. Auf «Combat Paddling» hatten wir alle an diesem Tag keine Lust. Schnell fanden wir einen Grund, uns nicht in unsere Paddelklamotten zu werfen und stattdessen die wunderschöne Natur zu bestaunen. Am Abend schmiedeten wir bei einer Grillade im Cabaña in Antuco die nächsten Paddelpläne.
Einen Tag später standen wir in Pucón, der Hauptstadt des Wildwasserpaddelns. Diese Kleinstadt befindet sich am Ufer des 176 km2 grossen Lago Villarrica und am Fusse des gleichnamigen Vulkanes. In der nächsten Umgebung befinden sich zahlreiche weltberühmte Wildwasserbäche.
Am Tag unserer Ankunft reichte es aufgrund des fortgeschrittenen Nachmittags und der umständlichen Suche nach einer Unterkunft nur noch für eine Befahrung des Lower Trancura, dem Hausbach von Pucón. Gestärkt von der nächtlichen Mahlzeit beim Fleischspezialisten der Stadt rollten wir am nächsten Tag zum Einstieg des Rio Maichín. Dieser Bach schlängelt sich durch mehrere Schluchten und ist in einer bewaldeten Hügellandschaft eingebettet. Die Sonnenstrahlen, welche sich durch die Baumkronen oberhalb der Schluchten kämpften, glitzerten im kristallklaren Wasser. Auch wenn keine Wasserfälle unsere Nerven kitzelten, sorgten die Stromschnellen, welche sich mit leichteren Paddelpassagen ausgewogen abwechselten, für einen herrlichen Kajaktag. Der obere Teil des Rio Trancura erwartete uns am darauffolgenden Tag. Auch wenn wir den wuchtigen Salto del Mariman umschleppten und wieder einmal die Vorzüge unserer «leichten» Boote genossen, konnten wir uns auf den technisch schwierigen Rapids ober- und unterhalb des Falles beweisen. Oschi’s Granate (Kajak) ahnte zu dieser Zeit noch nicht, dass dies die letzte heilüberstandene Flussbefahrung war. Am nächsten Tag auf dem Rio Fuy, bei der Besichtigung der ersten schwierigen Stelle, dachte sich das Boot: «Ich wage mein Glück ohne Oschi». Nach drei Stunden Seilarbeiten konnten wir das Boot mit leichtem Tuning bergen.
Zum Unwohl von anderen Touristen gönnten wir uns in Pucón auch einen paddelfreien Tag. Diese wurden unwissentlich einer Gruppe von Schweizer Berggeissen zugewiesen. Somit mussten sie, trotz des Einsatzes von Dani, mit uns den 2847 Meter hohen Villarrica Vulkan hoch hetzen und dabei unser Gejaule erdulden. Die Aussicht von der Spitze und der Blick in den Krater war sicherlich auch für sie unbezahlbar. Unvergesslich war die 1000 Meter Abfahrt auf einem «Füdlibob». Nach unserem Aufenthalt in Pucón musste uns Dani leider in Richtung Schweiz verlassen.